„Und dann wollte ich raus.“ - Eine Geschichte einer zweiten Chance.

Das Freiherr-vom-Stein-Gymnasium in Lünen veranstaltete für die gymnasiale Oberstufe am vergangenen Dienstag einen Präventionstag zum Thema „Extremismus“, der bei allen Teilnehmenden tiefe Eindrücke hinterlassen sollte. Bewegende biographische Einblicke in das Leben eines Aussteigers aus der rechten Szene, vermittelt durch das PRISMA-Projekt vom Ministerium des Innern des Landes NRW. Ein sogenanntes „Aussteigergespräch“, geprägt von absoluter Offenheit, Ehrlichkeit, Reue und dem indirekten Appell für demokratische Gemeinschaft, Zusammenhalt und Vergebung bzw. für eine zweite Chance hat diesen Tag für die Oberstufenschüler am Stein zu einem ganz besonderen gemacht.

 Zur Vorbereitung auf das sogenannte „Aussteigergespräch“ setzten sich die Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Erscheinungsformen des Extremismus auseinander und skizzierten diese als extremen Widerspruch zur Demokratie. Mit Fragen „im Gepäck“, wie man überhaupt in so eine extremistische Szene geraten kann, trafen sie dann in der Aula auf S., einen Aussteiger der rechten Szene. In dem sensiblen Gespräch, das von dem PRISMA-Team (Ministerium des Innern) moderiert wurde, erzählte S. von seinem früheren Leben, von seinem ersten Kontakt mit Rechtsextremismus bis hin zu seinem „neuen” Leben nach dem Ausstieg.

Der Aussteiger berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen auf ergreifende Art und Weise. Zudem orientierte sich der Ablauf der Veranstaltung an den Fragen der Jugendlichen, wodurch sich ein Dialog entwickelte. Man merkte, wie sehr die Schülerinnen und Schüler das Thema ansprach, denn sie hörten aufmerksam zu und stellten viele Fragen.

Er betonte stets, wie irrelevant die politischen Aspekte zu Beginn waren, denn das Zugehörigkeitsgefühl, die Akzeptanz der Gruppenmitglieder und das Gefühl „ein Teil von etwas zu sein" führte ihn zu einer Gruppe, die schlussendlich seinen Einstieg in den Extremismus bedeutete. Für S. sind die verschiedenen Formen des Extremismus austauschbar, schließlich seien sie ziemlich identisch. Alle hätten sie einen Feind und ähnliche Vorgehensweisen, um ihrer Meinung Gehör zu verschaffen.

Für ihn ist ein rechter Nationalismus heute nicht mehr nachvollziehbar, denn man könne nicht stolz auf seine Herkunft sein. S. sprach davon, dass es reiner Zufall sei, wo man geboren wurde; man selbst habe nichts dazu beigetragen, wo man schlussendlich aufgewachsen ist – und deshalb besitze dieser Stolz keine Rechtfertigung. Für S. gab es einen Punkt in seinem Leben, wo er für sich selbst entschieden habe, dass er kein Teil dieser Gruppierung mehr sein wolle. Diesen Punkt, so sagt er, müsse jeder für sich finden, um aus solchen Verhältnissen aussteigen zu können, denn ohne eigene Überzeugung sei der Ausstieg nicht möglich.

Umso wichtiger findet er Programme, die Aussteiger wie ihn dabei unterstützen sich zu schützen. Die Menschen, die bei diesen Programmen mitwirken, helfen den ausgestiegenen Personen dabei, eine zweite Chance zu bekommen.

Am Ende des Tages reflektierten die Schüler das Aussteigergespräch innerhalb ihrer Kurse. Dabei erzählten die Schüler von besonders in Erinnerung gebliebenen Momenten bzw. berichteten von den gesammelten Eindrücken. Für die Jugendlichen war S. ein „sympathischer Typ”, mit dem sie sich in manchen Situationen auch identifizieren konnten. Es war erschreckend zu hören, wie einfach man in solche Gruppierungen geraten kann, und führte den Schülerinnen und Schülern vor Augen, wie entscheidend der Einfluss der Mitmenschen auf eine einzige Person sein kann und wie wichtig es ist, solche Menschen zu unterstützen und ihnen eine zweite Chance zu bieten und nicht einfach wegzuschauen.