Salvete! Gestatten Sie mir zu Beginn meiner Ausführungen eine Frage: Wer von Ihnen hat das Kleine Latinum? Es dürfen sich auch die melden, die das Große Latinum haben! Ich sehe schon, das ist die Mehrheit! Das erleichtert die Situation. – Für die anderen haben wir draußen den ein oder anderen PONS auslegen lassen. Ich werde mich an wichtigen Stellen meines Vortrags der lateinischen Sprache bedienen und da ist es schon gut, wenn ich weiß, dass wir uns verstehen. Audiatur et altera pars! Bevor es zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags kommen kann, soll auch die andere Seite (der kriegerischen Auseinandersetzung) gehört werden. Nachdem in der Bedeutungsstruktur der Eröffnungsgeschichten die Voreingenommenheit des Publikums zugunsten der Gallier mobilisiert wurde und der Wahrheitsgehalt so mancher Darstellung doch reichlich zu wünschen übrig ließ, möchte ich unsere Sicht der Dinge entgegen halten. Es wurde doch zum großen Teil der Eindruck erweckt, als handelte es sich hier um die bekannten Kontrahenten einer provinziellen Resistance-Bewegung. An der Spitze ein pfiffiger, aber nur nach Genuss von speziellen Getränken starker Asterix und ein dicker Wildschweinfresser Obelix. Obelix: »Wer ist dick?« Ich meinte: ein muskulöser stets hungriger Obelix! Esuritor musculosus! Ich möchte einige Missverständnisse aufklären und empfehle Ihnen die Lektüre meines eigenen Tagebuchs De bello gallico, in dem ich persönlich eine Historiographie aus der authentischen Perspektive der Römer dargestellt habe. Ich zitiere aus Kapitel I: »Gallia omnis divisa est in partes tres. – Unterstufe, Mittelstufe, Oberstufe!« Beginnen wir mit der Unterstufe. Für uns ist es nichts Neues, aus einer Raufbande von Galliern innerhalb von drei Jahren anständige Gallier formen zu müssen. Aber hier ergibt sich eine neue Dimension. Die Abiogenese! Wer sich mit der biologisch-philosophischen beziehungsweise lateinisch-historischen Dimension dieses Begriffes nicht auskennt, sollte sich an die Centurionen Volmer und Kramer wenden. Hier nur soviel: Im Gegensatz zum Begriff der Biogenese, wonach Leben nur von Lebewesen weitergegeben werden kann, besagt Abiogenese, dass Leben unter bestimmten (größtenteils noch unbekannten) Umständen auch aus Nicht-Lebendigem entstehen könne. Abiogenese bezeichnet also die Hypothese, dass Lebewesen spontan und elternlos aus unbelebter Materie entstehen – generatio spontanea! Erst heute erfahren wir davon! Diese Gallier behaupten also elternlos aus unbelebter Materie entstanden zu sein. Das würde natürlich einiges erklären. Hier und da hatten wir schon den Verdacht, dass der elterliche Einfluss fehlte. Aber mit welchen Leuten habe ich den letzten Jahren gesprochen? Woher kamen die vielen Menschen bei den Elternsprechtagen und woher kommen die vielen Menschen heute? Sind Sie alle von der Presse? Oder sind sie nur WM-müde und gehen deshalb mal wieder ins Theater – kurz bevor es ganz geschlossen wird. Da hätte ich mir doch so manche Pflegschaftssitzung bis tief in die Nacht ersparen können! Was meinen die Gallier damit? Spinnen die? Oder fehlen ihnen nur die Vorbilder? Damit wären wir dann aber alle gemeint. »Tue das, was ich sage, aber nicht das, was ich tue!« (Dieser Kernsatz ist mir gerade eingefallen, deshalb habe ich ihn auch noch nicht ins Lateinische übersetzt!) Was sollen Kinder davon halten, wenn sie morgens beim Frühstück aus der Zeitung oder im Gespräch erfahren, dass die Lehrer sowieso inkompetent und faul sind, und anschließend werden sie in die Schule geschickt mit den Worten: »Pass auf! Benimm Dich anständig! Lern was!« Was soll die Öffentlichkeit davon halten, wenn die Magistrata scholae Sommer fröhlich verkündet, dass sie Mathematik auch nie verstanden hat? Und dies bei der Eröffnung einer Tagung zur Förderung des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts. Sie könnte es wenigstens bedauern. In einem solchen Umfeld wird Erziehung unnötig erschwert! Kommen wir zur Mittelstufe! In der Tat eine schwierige Stufe! Aber auch hier verweise ich auf mein Tagebuch über den gallischen Krieg, Kapitel 22, in dem ich alles, was wir heute hier gesehen haben, bereits beschrieben habe. Ich zitiere in der Übersetzung: »Der hervorragenden Tüchtigkeit unserer Soldaten begegneten die Gallier mit allen möglichen Kriegslisten.« Uns war dies sehr wohl bekannt und wir wussten das einzuordnen. Interessant ist nur, woran man sich als Gallier gerne erinnert! Ich zitiere weiter aus Kapitel 22: »Sie sind ein Menschenschlag, sehr anstellig und geschickt, alles nachzuahmen und auch fertigzubringen, was ihnen jemand vormacht. [...]« Spätestens in der Mittelstufe begann für viele von Euch die Arbeit in der SV! Und viele engagierten sich musikalisch. Das war die Zeit, in der die Gesichter der Gallier immer deutlicher erkennbar wurden. Aber auch dahinter verbergen sich Römer, die es vormachen oder auch nur ermöglichen. Bei aller Kritik sollte man das nicht vergessen. (Ich denke dabei auch an einen Lehrer, der den Dienst quittiert hat.) In der Oberstufe brachte die Aufnahme neuer Gallier einige Verstärkungen und etliche holten sich Anregungen außerhalb des engen Dorfes. Das Engagement für die SV wurde weiter verstärkt. Aktionswochen und Arbeit in den Gremien waren bei diesen Galliern in guten Händen. Aber auch die Auseinandersetzungen gingen weiter. Fragen Sie unseren Musicus Fischer, der schon früh versuchte die besten Gallier zu einer musica gallia optima zusammenzuführen. Dies scheiterte erst als wir weitere Musici aus den umliegenden Dörfern aufnehmen und das Musizieren auf den Nachmittag verlegen wollten. Das war unseren Galliern dann doch zu spät. Ihr musikalisches Engagement aber blieb. Viele Veranstaltungen haben sie mit ihrem Beitrag gekrönt. Mit Musik haben diese Gallier keine Probleme. Selbst Felix Troubadix kann wenigstens Gitarre spielen und als Straßenmusiker haben sie sich schon auf die Zeit nach dem Abitur vorbereitet. Ja, so sind sie, die Gallier! Eine iter studiosus (Studienfahrt), auf der sie mehr studieren als fahren sollten, lehnten sie ab. Sie hinterließen uns damit eine Diskussion, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Einige fuhren wenigstens nach Pisa, um sich dort auf die nächste Untersuchung vorzubereiten. So sind die Gallier! Als wir einen Studieninformationstag in Absprache mit der Universität Dortmund auf einen Nachmittagstermin legten, waren von den ursprünglich angemeldeten 16 Schülern nur noch zwei angereist. Die vier wissenschaftlichen Mitarbeiter der Universität waren selbstverständlich zum verabredeten Sondertermin erschienen. Peinlich! Immer wieder gab es Diskussionen, allerdings wurden sie überwiegend in einem Klima gegenseitiger Achtung und Verständnis für die Position des anderen geführt. Wenn es mal laut wurde im Dorf, so lag das eigentlich immer an den zu weit aufgedrehten Verstärkern. Und es gab auch immer wieder Positives über diese Gallier zu berichten. Zum Beispiel Sport: Zweimal haben Sie den Most-Stylish-Pokal und dreimal haben Sie den begehrten WWT-Pokal errungen, das ist einmalig. Etliche behaupten, dass das nur möglich war, weil der Spieler Obelix als Kind in den Bottich mit dem Zaubertrunk gefallen ist. Wir glauben das nicht! Wir haben vielmehr beobachtet, dass die Getränke, die vom Druiden Riepe und anderen ausgegeben wurden, keinesfalls die Leistungsfähigkeit der Gallier erhöhten – allenfalls seine eigene! Ceterum censeo! Im übrigen bin ich der Meinung, dass drei ausschweifende Festgelage... Aber lassen wir das. Es gibt zurzeit entscheidendere Fragen, die die res publica beschäftigen (Hat Italien gewonnen? Wie steht’s bei den Tschechen? Darf Ronaldo wieder auf dem Platz stehen?). Da will ich Sie nicht mit meinen Fragen langweilen. Als teutonisches Drama ist Goethes Faust ohnehin längst von Ballacks Wade verdrängt worden. Verstehen wir uns nicht falsch! Auch ich finde es wichtig, dass die Wade jetzt wieder da ist, wo sie hin muss. Das Runde muss ins Eckige! Und der Traum vom Endspiel lebt! Die Ziele sind leicht auszumachen! Der Werbespruch eines Unternehmens für Navigationsgeräte lautet: »Die Suche nach dem Ziel hat sich erledigt.« Eure Suche nach Zielen hat sich gerade nach dem Abitur vielfach nicht erledigt. Der Spruch, dass der Weg das Ziel ist, hilft da wenig. Allenfalls bei der Planung von ausschweifenden Festgelagen! (Ach! Ich wollte es doch nicht sagen!) Wie sagt Horaz: Nil sine magno vita labore dedit mortalibus. (Nichts gab das Leben den Sterblichen ohne große Anstrengung!) Ihr habt Euch angestrengt! Einige engagierten sich so sehr für ihre (eigentliche Mutter)-Sprache Französisch, dass sie sogar den weiten Weg in das Nachbardorf Altlünen auf sich nahmen. Zwei Leistungskurse im Fach Physik gab es an unserer Schule auch noch nicht. Trotz hoher Verluste in der Oberstufe – ein Viertel der Gallier sind abhanden gekommen – haben sie alle bis zum letzten Moment gekämpft. (Alle bis auf einen!) Ein besonderes Beispiel von Kampfesmut bewies der Gallier, der zunächst aufgeben wollte und sich dann doch entschlossen hat auch die letzte Schlacht zu schlagen. Er ist als Sieger heute Abend hier. So viele – auch freiwillige – Prüfungen wie in diesem Jahr hatten wir noch nie! Sieben haben leider den letzten Kampf verloren. Alea iacta est. (Der Spruch ist gut, ich werde ihn in mein Tagebuch aufnehmen.) Tag und Nacht wurde der abacus im zuständigen Römerlager »Aquarium« von den Centurionen Möllmann-Schmidt, Volmer und Kramer hin und her bewegt, um die computatio für den Friedensvertrag auszuarbeiten. Die besten Gallier stammen übrigens aus Kattowitz! Nun ist alles zu »Papierus« gebracht und wir haben sogar Vorkehrungen getroffen, damit nicht – wie zuletzt im Lager Christopherus – die diplomae abhanden kommen. Das gallische Dorf wird aufgelöst. Die annales sind fertig, das Jahrbuch wird über den Tag hinaus von den Taten dieses Dorfes berichten. In einem kleinen unbeugsamen Dorf zwischen Ostwestfalen und dem westlichen Münsterland scheint also doch das kosmologische Postulat der Abiogenese wahr geworden zu sein. Aus einem Stein in Lünen sind fast hundert Lebewesen hervorgegangen, die sich nun anschicken ihr Leben, ihr Wissen in die Welt zu tragen und dort eventuell sogar zu vermehren. Und so weiß ich, dass »Made of Stone« einen hoffentlich langlebigen, hochwertigen und unverwüstlichen Abschlussjahrgang 2006 meint, der sein Abiturmotto mit dem Gedanken an die Schule gewählt hat, die Euch viele Jahre geprägt hat. So steht es auf Eurer Homepage. (Was heißt eigentlich Homepage auf Lateinisch?) Non omnia possumus omnes! (Nicht alle können alles!) Die Prägung ist für jeden anders ausgefallen. Wir wünschen Euch allen, dass ihr mit dem Gelernten und den Erfahrungen Eurer Schulzeit ein erfolgreiches und glückliches Leben vor Euch habt. Wir wünschen uns allen, dass Ihr mit überwiegend guten Gefühlen an Eure Schulzeit zurückdenken werdet. Alles, was ich gesagt habe, spricht dafür diesen Friedensvertrag zu unterzeichnen. Pacta sunt servanda! |