Höchst überspitzter Kommentar meiner Erlebnisse aus meinen ersten Schuljahren...
Diverse Grundschulpädagogen diagnostizierten mir im Alter von elf Jahren, dass ich in ihren Augen die Fähigkeit besäße, ein Gymnasium zu besuchen. Dass ich mich, als der betroffene Schüler, über dieses Urteil freute, steht außer Frage. Noch mehr aber sind es meine frenetischen Eltern gewesen, die in ihrem privaten Umfeld mit der glanzvollen Leistung und den zukünftigen Karrieremöglichkeiten ihres Sprösslings prahlten.
So eilten meine überambitionierten Eltern mit mir als die scheinbare Elite der Zukunft am ersten Schultag über das Kopfsteinpflaster der Innenstadt, um sich der vor der Stadtkirche sammelnden Menge Gleichgesinnter anzuschließen. Nachdem zusätzlich zum amtlichen Empfehlungsschreiben noch der kirchliche Segen eingeholt wurde, stand kurz darauf die Menschenmenge vor dem Schulgebäude in freudiger Erwartung eines Empfangskomitees.
Ich selbst schaute auf das von Grundschulklassenlehrern als Sprungbrett in die Zukunft angepriesene Backsteingebäude, dass nun für bestenfalls acht Jahre das zweite Zuhause bilden soll. Hier mischte sich schon früh das Gefühl aus Freude über die Möglichkeiten, die einem nun offen stehen, mit der Vorahnung der Probleme, die damit einhergehen.
Vier Jahre lang mühte ich mich mal mehr, mal weniger mit einem Pflichtprogramm bestehend aus Naturwissenschaften, Gesellschaftswissenschaften, Sprachen und den musisch-künstlerischen Fächern, sowie Sport ab. Schon ab der 5. Klasse mit wöchentlichem Nachmittagsunterricht. Über die ganze Zeit hinweg versuchten die Lehrer meist, das gerade zu unterrichtende Fach schmackhaft zu machen und einen möglichst detaillierten Blick in die Themen zu gewähren.
Die Vielfalt der Fächer, die oftmals unterschiedlicher kaum sein konnten, führte jedoch leider dazu, dass es schon zeittechnisch kaum noch möglich war, in jedem Fach sein volles Potential zu entfalten.
Sobald dann erste Elternsprechtage auf die Lehrkräfte zurollten, drang meine von meinen schlechten Noten vollkommen fassungslose Mutter auf Erklärungen.
Dass schon im Voraus angesprochen wurde, dass gerade die ersten Leistungen nicht mit denen der Grundschule zu vergleichen sind, hatte meine Familie längst aus ihrem Weltbild verdrängt. Die Folge ist, dass meine besorgte Mutter stets das Wort „mein“ vor jede Namensnennung klatschte und nicht glauben wollte, dass ausgerechnet ihr Peter nicht dem Anforderungsniveau entspricht, dass sich ihr Peter herzlich wenig für das Unterrichtsgeschehen interessiert und dass ihr Peter sich doch mal mehr anstrengen sollte.
So brach meine Großmutter (vertretend für meine Mutter) im schlimmsten Fall in opernreifen Szenen zusammen und beschuldigte die Lehrkraft die Potentiale ihres Wunderkindes nicht erkannt zu haben.
Keinesfalls die Umgewöhnung an das neue Umfeld, sondern die Schule und das Schulsystem selbst sind natürlich schuld.
In der Regel löste sich diese Spannung jedoch ab dem ersten „sehr gut“ in Luft auf.
Dass sich nicht hinter jedem Heranwachsenden, der im Kleinkindalter von irgendeinem Bildungsforschungsinstitut als „hochbegabt“ bezeichnet wurde, ein wandelndes Lexikon verbirgt, ist eigentlich verständlich. Dass meine Familie in ihren Nachkommen wiederum gern ein Genie sehen würden, ist aber ebenso nachvollziehbar.
In den Differenzierungsbereichen I und II haben die Schüler recht früh die Möglichkeit, ein wenig Einfluss auf ihre Schullaufbahn zu nehmen.
Im Optimalfall hätte ich hier mein vorrangiges Interessenfeld wählen können und einfach mal schauen können, ob mir das Fach auch wirklich liegt oder nicht.
Auch hier mischten sich wie selbstverständlich andere ein. So versuchte ein Fachliebhaber, der die wachsende Unbeliebtheit seines Faches erkannte, einige Schüler dazu zu überreden, sich für gerade dieses Fach zu entscheiden.
Recht ähnlich ist es da auch bei meinem Vater, der versuchte, seinen Spross davon zu überzeugen, sich für gerade diese Sprache zu entscheiden, da er die gleiche Sprache ja selbst in der Schulzeit hatte und helfen könne.
Schnell musste ich jedoch feststellen, dass meist außer verwaschener grammatikalischer Konstrukte, welche erst Jahre später schulisch behandelt werden, und ein paar weniger Brocken Vokabeln nicht viel aus der familiären Nachhilfe zu holen war.
Umso wichtiger ist folglich der Dialog zwischen Grund- und weiterführenden Schulen. Letztlich sind es doch die Schüler, welche unter dem ungewohnten Anforderungsniveaus der Schulen und den Erwartungen der Eltern und Verwandten leiden. Wie ich selbst erfahren musste, ist der Wechsel von Grundschule zum Gymnasium kein besonders leichter Schritt, und vielleicht sollte man den Schülern einfach ein wenig mehr Zeit geben um sich an die neue und überfordernde Situationen zu gewöhnen.
Tar Tar,
Peter Joschko